Geschichtliche Entwicklungen


Bereits in den Paulusbriefen und in der Apostelgeschichte werden verschiedene Formen von gottesdienstlichen Zusammenkünften der christlichen Gemeinde erwähnt. Ein Beispiel für den urchristlichen Gottesdienst findet sich in 1. Korinther 14: „Wenn ihr  zusammen kommt, hat jeder etwas mitgebracht: Der eine singt ein Lied, ein anderer legt die Heiligen Schriften aus. Wieder ein anderer spricht in Sprachen des Geistes, und ein anderer hat eine Erklärung dazu.“ Der Begriff „Gottesdienst“ (griechisch: leitourgia) wird für diese Versammlungen der Gemeinde nicht benutzt. Wenn im Neuen Testament von Gottesdienst gesprochen wird, geht es entweder um den Tempelgottesdienst des Alten Testaments oder um die Aufforderung, das gesamte Leben als Gottesdienst zu begreifen (Römer 12,1-2 LUT).

Schon im 2. Jahrhundert kommt es zu einer liturgischen Ausbildung der gottesdienstlichen Zusammenkünfte. Justin der Märtyrer († 165) zum Beispiel beschreibt einen christlichen Gottesdienst mit Leseordnung, Predigt, Fürbittgebet und Abendmahlsfeier. Daraus entwickeln sich mit der Zeit besondere priesterliche Ämter, die schließlich zu einer Trennung der Gemeinde in „Geistliche“ und „Laien“ führt. Die Architektur der gottesdienstlichen Räume spiegelt diese Trennung; der Altarraum - durch einen Lettner vom Rest des Kirchenraumes getrennt - ist den Geistlichen vorbehalten, während die anderen Gemeindemitglieder immer mehr zu Zuschauern und Zuhörern des gottesdienstlichen Geschehens wurden. Andere spätantike und frühmittelalterliche Sonderformen (Stationsgottesdienst) leben heute in Prozessionen fort.

Die Reformation versuchte diese Entwicklung rückgängig zu machen. Der linke Flügel der Reformation (Täufer) und freikirchlichen Bewegungen der Neuzeit (z.B. Baptisten) hoben die gottesdienstliche Trennung zwischen Geistlichen und Laien vollends auf. Auch das Zweite Vatikanische Konzil der Römisch-Katholischen Kirche wies den Laien wieder einen aktiven Platz im Gottesdienstgeschehen zu. In der Orthodoxen Kirche wurde diese Rückbesinnung auf den urchristlichen Gottesdienst allerdings nicht nachvollzogen.

Die Zahl der Teilnehmer am sonntäglichen Gottesdienst nimmt in der Bundesrepublik Deutschland ab und betrug nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) im Jahr 2003 nur noch 3,98 Millionen Menschen gegenüber 6,19 Millionen Teilnehmer im Jahr 1990. Statistisch gingen im Jahr 2005 ein Drittel der Befragten aus Prinzip nicht in die Kirche, weitere 30 Prozent nur zu Weihnachten, zu Ostern oder zu Familienfesten. Lediglich 17 Prozent bezeichneten sich als regelmäßige Kirchgänger, wobei der Anteil im Westen höher ist als im Osten, bei den Frauen höher als bei den Männern und bei den über 60-Jährigen mit Abstand am höchsten. International gibt es große kulturelle Unterschiede: In weiten Teilen der Vereinigten Staaten sowie in einigen Teilen Europas (z.B. Polen, Italien) ist der Besuch des sonntäglichen Gottesdienstes eine Selbstverständlichkeit.

Martin Luther ging es in seinem Wirken vor allem darum, die freie Gnade Gottes und die Ernsthaftigkeit des christlichen Lebens wiederherauszustellen; dazu gehörte, Ritualisiertes zurückzudrängen. Dabei ging er davon aus, dass durch die Reformation die Alte Kirche wiederhergestellt sei. Für den Gottesdienst bedeutete dies, dass Luther sich zunächst um eine möglichst große Kontinuität in der Liturgie bemühte. Die ersten liturgischen Entwürfe Luthers sahen daher eine im Vergleich zum römisch-katholischen Gottesdienst fast unveränderte Messfeier vor: die sogenannte „gefegte (= gereinigte) Messe“. Luther tilgte nur jene Passagen, die den Vollzug des Abendmahls als erneutes Opfer Jesu Christi verstehen ließen, und führte die deutsche Sprache ein. In späteren Arbeiten wurden weitere Veränderungen vorgenommen. Die größten Differenzen ergaben sich beim eucharistischen Hochgebet.

Die lutherischen Kirchen orientieren sich bis heute an diesem Verständnis und an der Sprache Martin Luthers, so dass in ihnen sowohl von „Gottesdiensten“ als auch von „Messen“ gesprochen wird. Gottesdienste werden in allen ihren Elementen – Bibellesungen, Gebete, Predigt, Gesänge, Bekenntnisse – grundsätzlich nur in den Landessprachen gefeiert; Ausnahmen gelten lediglich für die feststehenden liturgischen Gesänge – Gloria patri, Kyrie, Gloria, Sanctus, Agnus Dei –, die zuweilen in ihrer altkirchlichen Form und Sprache angestimmt werden, sowie für neueres Liedgut, das auch in sprachlicher Hinsicht oftmals bestimmten Trends folgt und derzeit oft englische Texte aufweist. Die gottesdienstlichen Lesungen folgen der Perikopenordnung.

Die unterschiedlichen Teile des Gottesdienstes – Sündenbekenntnis/Beichte, Eingangsliturgie, Verkündigung, (Taufe,) Abendmahl, Sendung – haben grundsätzlich das gleiche Gewicht. Je nach Situation können sich Verschiebungen ergeben. Traditionellerweise werden Verkündigung (mit Bibellesungen, Predigt und Glaubensbekenntnis) und Abendmahlsfeier besonders gewichtet.

Gottesdienstformen in lutherischen Kirchen:


* Abendmahlsgottesdienste nach der Ordnung der Lutherischen Messe:


* Beichtgottesdienst vor der Lutherischen Messe,

* Predigtgottesdienste,

* Gottesdienste zu Buß- und Bettag mit besonderer Bußliturgie und Beichte,

* Andachten wie z.B. Advents- und Passionsgottesdienste in der Woche,

* Stundengebete,  Mette,  Vesper,  Komplet,

* Gottesdienste zum Gedenken der Heiligen Apostel und Evangelisten, Gedenktag der Heiligen, Gedenktag der Augsburgischen Konfession etc. an den entsprechenden Gedenktagen,

* Kasualgottesdienste (wie z.B. Beerdigungen, Trauungen),

* Es werden auch teilweise neuere Gottesdienstformen angeboten (siehe unten).

Taufen, Ordinationen etc. werden in der Regel im Rahmen eines Sonntagsgottesdienstes vollzogen. Ausnahmen sind möglich.

Reformierte Kirchen


Der Gottesdienst in Kirchen der reformierten Tradition ist in Deutschland wortbetont, sein wesentlicher Bestandteil ist die Predigt. Die Liturgie ist schlicht. Das Abendmahl wird als Erinnerungsfeier verstanden. Unter Zwinglis Führung war das Herrenmahl in Zürich nur zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Kirchweih gefeiert worden. In Anlehnung an diese Tradition sehen viele Gemeinden eine Abendmahlsfeier nur vier bis fünf Mal im Jahr vor; übliche Termine dabei sind für die erste Feier im Kirchenjahr Weihnachten, für die zweite Gründonnerstag, Karfreitag oder Ostern, sowie für die weiteren Pfingsten und Erntedank; mancherorts wird auch in den Konfirmationsgottesdiensten zum Abendmahl eingeladen. – Auch im Abendmahlsgottesdienst steht die Wortverkündigung im Zentrum des Ganzen.

Das grundlegende Modell der reformierten Liturgie baut auf dem oberdeutschen Prädikantengottesdienst auf. In ihr stehen trinitarisches Votum (Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.), biblisches Votum (häufig Psalm 124,8 LUT, daher auch Adjutorium genannt) und Begrüßung sowie ein Gemeindelied am Anfang. Darauf folgen Psalm, der zuweilen in einer Nachdichtung als eröffnendes Gemeindelied gesungen wird, Eingangsgebet mit Schuldbekenntnis, Bibellesung, Predigt, Glaubensbekenntnis, Lied, Abkündigungen, Fürbittengebet, Unser Vater, Ausgangslied und Segen. – Die Reihenfolge zwischen Votum / Begrüßung und Lied, zwischen Predigt und Glaubensbekenntnis sowie zwischen Ausgangslied und Segen ist in den unterschiedlichen Gemeinden verschieden geregelt.

Die gottesdienstlichen Lesungen folgen in vielen Gemeinden der Perikopenordnung. Daneben sind aber seit der Reformationszeit vor allem in den niederrheinischen Gemeinden auch „Continua-Predigten“ gebräuchlich. Dabei folgen die Predigten dem fortlaufenden Text eines biblischen Buches. In anderen Gemeinden schließlich können weder fortlaufende Lesungen noch Perikopenordnung als feststehende Tradition beobachtet werden.

Freikirchen


Freikirchliche Gemeinden haben mit Ausnahme methodistischer Kirchen in der Regel keine festgelegte Liturgie. In vielen Gemeinden folgt einer lockeren Begrüßung und einem Informationsteil eine längere Anbetungszeit, die durch viele Lieder, Lesungen biblischer Texte und frei formulierte Gebete geprägt ist. Musikalisch steht nicht nur die Orgel im Mittelpunkt, sondern oft auch andere Tasten- und Rhythmusinstrumente. Auch persönliche Erfahrungsberichte, so genannte „Zeugnisse“ kommen häufig vor. Viele Gemeinden besitzen Chöre, Singkreise oder Musikbands, die den wöchentlichen Gottesdienst mitgestalten. Die Predigt steht im Mittelpunkt. Fürbitte und Segensbitte beschließen den Gottesdienst. In charismatisch geprägten Gemeinden gehören auch Gottesdienst-Elemente wie Glossolalie (Zungengebet) und Prophetie. Das Abendmahl wird regelmäßig gefeiert; in manchen Freikirchen wöchentlich (Brüdergemeinden), in manchen vierteljährlich (Adventgemeinden), in den anderen meist monatlich. In manchen Freikirchen finden allerdings auch hin und wieder Mahlfeiern im häuslichen Kreis statt. Für Kinder wird meistens parallel ein Kindergottesdienst angeboten.

Zu den gottesdienstlichen Veranstaltungen der Freikirchen zählen auch regelmäßige Gebetsversammlungen (wie so genannte Lobpreisgottesdienste und sing & pray). Auch die Bibelstunden haben in manchen freikirchlichen Gemeinden einen gottesdienstlichen Charakter. In einigen jüngeren Freikirchen, wie Willow Creek (USA), Hillsong (Australien), oder ICF Movement (Europa), werden die Gottesdienste konsequent mit den Möglichkeiten aktueller Veranstaltungskultur (Musik, Licht, Ton, Videoprojektion) gefeiert.

Quelle:
Artikel Gottesdienst. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 14. Juni 2008, 08:51 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gottesdienst&oldid=47227807 (Abgerufen: 3. Juli 2008, 12:26 UTC)